Geschichten von der Mauer: Todesmut

Triggerwarnung!

Dieser Text enthält intensive und explizite Darstellungen von Gewalt, schwerem Leid, Tod, sowie Blut und Verstümmelung, die für manche Leser:innen verstörend wirken können. Bitte lesen Sie mit Vorsicht und berücksichtigen Sie Ihre persönlichen Grenzen.

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Dieser Text entführt Sie in eine von vielen Gestalter:innen gemeinsam erschaffene dunkle Fantasie-Horrorwelt, die komplexe und anspruchsvolle Themen erforscht und abbildet. Die intensiven und expliziten Darstellungen von Gewalt, Leid und Tod sind unter anderem ein Bestandteile dieser düsteren und facettenreichen Erzählung. Bitte lesen Sie mit Bedacht und berücksichtigen Sie Ihre persönlichen Grenzen.

Ras-Alay, Kommandantin der Verteidigung des Mauerabschnitt 301

 

An den ruhigen Tagen fällt besonders auf, wie wenige Prätorianer es eigentlich gibt. Eine Hand voll nicht einmal, in meinem Bereich der Mauer. In Tagen des Ansturms scheinen sie überall zu sein, weil sie schnell sind und nie zögern, weil sie keinen fixen Platz haben in den Schlachtreihen sondern ihren eigenen Befehlen folgen und der Notwendigkeit der Situation. Ihre überragenden Fähigkeiten lassen sie so herausstechen, dass es passieren kann, dass du die Masse nicht siehst. Die Masse, die wir sind, wir einfachen Soldaten und Soldatinnen.

 

Doch wenn ich jetzt, wo es ruhig ist, über die Mauer gehe, wenn ich inspiziere und meinen forschen Blick auf meine Leute richte, weil sie das auch ein wenig von mir erwarten, weil es Selbstbewusstsein ausstrahlt und ihnen Zuversicht gibt, dann denke ich daran, welch ungewöhnliche Leistung sie Tag für Tag vollbringen. Es ist leicht, durchzuhalten, wenn du dir deine Gefühle abtrainiert hast, wenn die Mauer deine Bestimmung und dein einziges Zuhause geworden ist, aber an der Mauer zu stehen und Mensch zu bleiben – das ist die wahre Undenkbarkeit!

Ich sehe, wie durch die Seelen der Soldaten noch das reine Licht Sols strahlt und das lässt sie jung scheinen, auch wenn ihre Körper nicht mehr die jüngsten sind, denn die ganz jungen holen wir nie an die Mauer. Wir brauchen die, die schon ein dickeres Fell haben, die etwas erlebt haben und etwas erreicht. Die, die auch etwas zu verlieren haben, die lieben und mitten im Leben stehen. Die, die etwas beschützen wollen, zu dem sie zurückkehren können, denn nur dann macht es Sinn für sie, hier zu sein, nur dann haben sie die Stärke, die es braucht, um an der Mauer zu überleben. Die Silbermasken werden mit Leib und Seele zur Waffe, zu der einen Eigenschaft, die sie auszeichnet. Sie legen alles ab, was sie schwach machen und binden könnte, sie haben keine Familie, keine Persönlichkeit mehr, aber sie werden auch nie mit einer Situation konfrontiert, in der es notwendig wäre, Persönlichkeit zu haben. Das überlassen sie den anderen, den Menschen wie uns. Die Prätorianer sind gesichtslos, sie leben nicht, sie existieren, damit andere leben können. Ich bewundere den Mut, den es braucht, um so ein Leben auszuwählen und bis zum Ende zu gehen – bis zur Mauer oder bis zur goldenen Garde des Apricus. Es wäre kein Weg für mich, auch kein Weg, den ich meinen Kindern wünsche. Dennoch erfüllt mich eine tiefe Dankbarkeit und ich würde niemanden aufhalten wollen, der oder die dafür bestimmt ist.

 

Doch genauso bewundere ich die einfachen Männer und Frauen, die mir jetzt zunicken, wenn ich vorbeigehe, die strammer stehen, weil sie mich kommen sehen, die mir einen zackigen, wohlgesetzten Schritt aus dem Weg gehen, um mir auf dem schmalen Pfad mehr Platz zu machen. Ohne sie gäbe es die Mauer, gäbe es ganz Regnum Solis nicht. Ich sehe die halbleeren Blicke der Traumatisierten und die erschrockenen Blicke der ganz frisch Angekommenen. Ich sehe Angst, Starrsinn, beginnenden Wahnsinn und hinter allem, die verzweifelte Hoffnung und den Heldenmut. Ich sehe auch die Fragen in manchen der Gesichter, bei den Leuten, die wissen, dass ich alle zwei Jahre zwei Wochen an der Mauer verbringe und nicht so, wie alle anderen hier, nur einmal im Leben herkomme. Wie kann ich das aushalten? Wie kann ich mich dafür entscheiden?, fragen sie sich. Mein Seelsorger sagt, ich wurde mit einem Funken geboren, dessen Licht heller strahlt als das anderer. Mein Mann sagt, ich bin geisteskrank. Meine Kinder bewundern mich, auch wenn es ihnen Angst macht, wie ich zurückkomme und wie lange es dauert, bis ich wieder die Mutter bin, die sie kennen.

 

Ich kann mir ein Leben ohne die Mauer nicht vorstellen. Der Gedanke, dass ich es aushalten kann, hier zu dienen und es dennoch nicht tue, ist mir unerträglich. Wie soll ich das vor mir verantworten, wie in die Augen meiner Kinder sehen, wie meinen Mann küssen und sagen „ja, ja, ich bleibe jetzt bei euch, ich gehe nicht mehr fort, um das zu beschützten, was wir hier haben, sollen doch andere die Verantwortung übernehmen, ich habe genug getan“? Es ist nicht nur die Verantwortung, die mich treibt, es ist auch Unruhe, die mich verfolgt. Die Mauer frisst ein Stück von dir auf, das tut sie immer. Wir Kommandanten schauen, dass es kein wesentliches Stück ist, dass es dich nicht ganz kaputt macht und du weiterleben kannst, im Inneren des Landes, im Frieden. Bei mir ist es anders gelaufen, ich weiß nicht warum. Vielleicht wurde ich für diese Aufgabe geboren. Ich bin wie ein Gefäß, das sich mit Grauen füllt. Wenn es überläuft, dann muss ich gehen. Dann kehre ich heim und werde los, was mich überfordert hat. Doch dabei bleibt eine Leere in mir zurück, eine Leere, die ich nur füllen kann, wenn ich zurückkehre.

Es ist jetzt mein vierter Besuch an der Mauer. Vielleicht brauche ich einmal mehr als zwei Jahre, um wiederzukommen, aber ich werde immer zurückkehren.

Da stehen sie um mich, die scheinbar Machtlosen und widerstehen, jede und jeder auf seine Art. Devi, die mit ihrer Armbrust schon vier Korrumpierte erledigt hat, obwohl einer aussah, wie ihre eigene Mutter und – da sie das nicht aufhielt – die nächsten wie ihre Kinder. Seitdem zittert ihre Hand manchmal, wenn sie einen Bolzen einlegt, aber wenn sie zielt wird sie ruhig und sie trifft mit derselben Genauigkeit wie zuvor. Lal, der beim ersten Mal, als er die Mauer betrat, so plötzlich und so explosionsartig gekotzt hat, dass ich ihn wieder nach unten schickte, sich umzuziehen, der jetzt mit grimmigem Blick auf den Horizont starrt und der erste ist, der neben dir steht, wenn du beginnst eingesponnen zu werden und der dir mit sicherer Stimme sagt: „Es ist nicht echt! Wehre dich! Widerstehe!“

Es dämmert bereits und ich sehe, wie Layla die Treppe hinaufkommt, ein grimmiger Ausdruck in ihrem leichenblassen Gesicht und wilde Entschlossenheit in ihren blutunterlaufenen Augen. Sie sagt mir, sie träumt sobald sie schläft, dass ihr Gewalt angetan wird von Männern mit widerwärtigen Deformationen, mit eitrigen, schwärenden Wunden, mit Dornfortsätzen und Krallenellbögen und Zähnen statt Augen. Danach, träumt sie, liegt sie unter starken Schmerzen in den Wehen und gebiert Monstren, die ihren Leib beim Austritt zerfetzen und ihren Vätern in ihrer Widerwärtigkeit weit überlegen sind, aber trotzdem steht Layla jedes Mal wieder auf der Mauer und wacht. Sie hat die Nachtwache, weil sie sagt, untertags ist das mit dem Schlafen leichter, da machen ihr die Träume weniger Angst, wenn sie hochschreckt und Sol steht am Himmel.

Harish ist der beste Feuermagier, den wir haben. Er ist ein drahtiger, kleingewachsener Mann und jeden Tag, den er auf der Mauer verbringt, drückt er dem Norden seinen Stempel auf. Seit er hier ist, gibt es im Ödland vor der Mauer mehr verkohlte Stellen als unverbrannte. Wann immer Harish einen Feuerball hochzieht schreit er wie am Spieß, aber wir haben uns daran gewöhnt. Die Bestien machen ihn glauben, dass er sich mit seinen Zaubern am eigenen Leib verbrennt und wenn er zu viel zaubert, dann bricht er bewusstlos zusammen, weil sein Körper weniger von dem Schock verträgt, als sein Wille bereit ist zu geben.

„Ras-Alay! Dort!“ Der Schrei reißt mich aus meiner Reverie. Ich folge dem ausgestreckten Arm des bereits ergrauten Rekruten, dessen Knie so arg zittern, dass seine Hüfte in rhythmischen Abständen gegen die Mauerkrone schlägt.
Es ist ein unglaublicher Koloss, den er mir zeigt, ein Katapult, das so riesig ist, dass die Kreaturen daneben wirken wie Spielzeugsoldaten. Während ich beobachte segelt ein Punkt auf uns zu, der größer und immer größer wird, bis es aussieht, als würde Selena selbst vom Himmel fallen. Ich unterdrücke einen Schrei, die Männer und Frauen rechts und links von mir tun es nicht. Der Stein, der die Ausmaße eines kleinen Hauses erreicht hat, schlägt mit ohrenbetäubendem Krachen kaum zehn Meter von der Mauer entfernt auf, zerreißt das Erdreich und wirft Staub und die Überreste von Gebeinen über unsere Köpfe. Ich schlage den Turban vors Gesicht, doch zu spät und muss husten. Neben mir steht urplötzlich eine Silbermaske.

„Das Kriegsgerät muss zerstört werden“, informiert sie mich und ich fahre sie an:
„Ach, was du nicht sagst!“ bevor ich es mir verkneifen kann.

„Findet mir Männer und Frauen, die mich begleiten.“

Die mich begleiten. Die mir in den sicheren Tod folgen, meint die Maske, aber das sagt sie nicht. Leute, die mich mit ihren Leibern beschützen, damit ich nahe genug an das Gerät komme, um es zu vernichten. Die Silbermaske fragt nicht einmal selbst, sie befiehlt es mir, weil ich ein Mensch bin und keine Waffe, weil ich Emotionen und Bindungen habe, zu den anderen hier auf der Mauer, weil die Männer und Frauen mir schneller und bereitwilliger folgen werden, als der Maske.

„Hört her!“ schreie ich, während mein Herz noch versucht, das zu begreifen und meine Seele bereits zu bluten beginnt. „Wir müssen dieses Kriegsgerät vernichten, bevor sie es richtig einstellen können. Sie reißen uns sonst ein Loch in die Mauer und dann sterben wir wie die Fliegen und wenn wir Pech haben, dringen die Bestien in die Stadt ein. Nicht in meiner Wache!“ Ich hole Luft, obwohl meine Lunge brennt und mein Hals furchtbar eng geworden ist. Meine Stimme trägt weit. Sie haben sich alle zu mir umgedreht und starren mich an.

„Das ist kein Befehl, ich werde niemandem befehlen, über die Mauer zu klettern. Wer immer hierbleiben will, bleibt hier, aber diese Silbermaske und ich, wir seilen uns ab und ich würde mich verdammt gerne nicht umsonst opfern. Zu zweit schaffen wir es nicht, ich-„

„Ihr habt meine Schwerter“, kommt von links und ich fahre herum und sehe Alshirijan, den einäugigen Elfen, der erst heute zu uns gestoßen ist, von dem ich nichts weiß, außer dass er mir auf Anhieb unsympathisch war und der mich jetzt mit festem Blick ansieht, ganz ohne die Herablassung, die mich an ihm so genervt hat. Ich nicke ihm knapp zu. Durch die Luft pfeift ein weiterer Stein. Die Erde bebt, die Metallplatten auf der Mauer singen.

„Der Elf, die Silbermaske und ich. Kommt noch jemand?“

Layla stellt sich zu uns. Ihre eingefallenen Wangen sind rotgefleckt vor Stress.

„Ich bin es ohnehin leid, von ihnen gefickt zu werden. Lasst uns gehen! Zeigen wir’s ihnen!“

„Ich komme mit!“ schreit Lal, von dem ich weiß, dass er Layla liebt. Seine Schultern sind hochgezogen und verkrampft.

„So schaffen wir es!“ brülle ich und versuche, zuversichtlich zu klingen. „Kommt!“

Die Silbermaske hat schon ein Seil befestigt. Mit einem Satz springt sie über die Mauer und ist schneller unten, als wir über die Zinnen steigen können. Am Boden angekommen rennt sie sofort los, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Ich lande als Zweite und stecke bis zu den Knien in Blut und Gedärmen. Ich unterdrücke mein Erbrechen ob des unvorstellbaren Gestankes nach verwesendem Fleisch und geronnenem, erhitzten Blut und schreie stattdessen nach oben:

„Vorsicht, hier ist ein Loch im Boden!“

Die anderen rollen neben mir ab. Wenige Augenblicke später ist das Seil wieder nach oben verschwunden. Von beiden Seiten werden mir Hände entgegengestreckt und bevor ich noch entscheiden kann, ob das ein Knochen oder ein Stein ist, der gegen meine Rüstung scharrt, bin ich auch schon wieder auf festem Boden. Es macht ein schlürfendes Geräusch, als mich die Leichengrube loslässt. Lal war immer schon geruchsempfindlicher als ich und erbricht zur Seite. Ich sehe weg, der Silbermaske hinterher, weil sonst könnte es mich doch noch überkommen. Da ertönt ein unmenschlicher Schrei und wenig später schlägt eine Hand breit hinter der laufenden Silbermaske ein Feuerball ein und der Haufen an Knochen und Fleischresten platzt auseinander und darunter kreischt eine scheinbar nackte Gestalt mit unnatürlich verkrümmtem Rückgrat, deren Augen eben in den Höhlen zu kochen beginnen und deren dünne, klingenbewachsene Ärmchen nutzlos durch die Luft fuchteln.

„Passt…auf…euch auf!“ stößt der Feuermagier zwischen seinen Schmerzensschreien hervor und ich schüttle den Kopf, um ihn freizubekommen und sehe, dass Layla und Lal schon ein paar Schritte Vorsprung haben. Der Elf ist an meiner Seite geblieben, sein Blick ist abschätzig, aber diesmal stört es mich nicht, denn es ist mir ganz recht, wenn hier, auf der falschen Seite der Mauer, jemand auf mich aufpasst, der noch mehr Kriegserfahrung haben könnte als ich.

Hundert Meter, zweihundert… Vor mir hat Layla eben einen Menschen enthauptet, der so dürr war, dass es mich wundert, dass er überhaupt noch aufrecht gehen konnte. Rechts von mir sehe ich meine Jüngste schreien, als eine kuttenbewährte Gestalt ihr wieder und wieder in die Magengrube schlägt. Ich will stehenbleiben, aber der Elf stößt mich weiter und ich muss einsehen, dass meine Tochter nicht wirklich hier sein kann.

Du stirbst hier nicht. Ich werde dich fangen und dann werde ich dich versklaven und du wirst dich vom Fleisch deiner gefallenen Gefährten ernähren und wirst für mich singen und tanzen und meine Füße massieren und für mich die Kinder großziehen, die bereits meine Sklaven sind und mir neue gebären! Flüstert eine Stimme in meinem Kopf und wenn ich denken würde, es würde einen Unterschied machen, würde ich mir die Trommelfelle zerstechen, aber es macht keinen Unterschied und wir sind schon eine Meile weit gekommen und wenn wir noch ein, zwei weitere schaffen, dann sind wir dort.

Doch neben dem Kriegsmonstrum wartet die Horde. Es sind so viele, sie haben sich für einen Ansturm bereitgemacht und die Zauber ihrer unheiligen Kreaturen müssen sie zum Großteil vor unseren Augen verborgen haben, denn diesen Heerzug müsste man schon von der Mauer aus sehen und an der Mauer sah man nicht mehr, als die paar Spielzeugsoldaten. Der Pfeilregen, der uns trifft, durchbohrt unsere Rüstungen. Nur die Silbermaske wurde nicht getroffen, sie ist verschwunden. Wenn wir schon nichts weiter sein können, als eine Ablenkung, dann soll unser Tod wenigstens zur Fackel in der Dunkelheit werden!

Ich schreie, Layla schreit, Lal schreit, Harish schreit. Der Elf schreit nicht. Wir alle sind Schmerzen gewohnt und wir sind es gewohnt, nicht aufzugeben. Die erste Welle an Leibern brandet heran, direkt nach der zweiten Welle an Pfeilen. Ich sehe das Gesicht meines Mannes in den Angreifern und fühle Bedauern, dass ich mich nicht verabschieden konnte, dass ich ihm nicht einmal eine Nachricht hinterlassen konnte, dass ich stattdessen hier stehen muss, um ihn immer und immer wieder zu töten. Tränen laufen über meine blutbefleckten Wangen. Wird er stolz auf mich sein, trotz seiner Trauer? Oder wird er mich hassen dafür, dass ich immer mehr dem Land gehört habe, als ihm? Wird er zulassen, dass unser Ältester Karriere macht beim Heer und dass meine Töchter ebenfalls in meine Fußstapfen treten? Ja. Ja, vermutlich wird er das tun. Einen Mann, der die Größe nicht besitzt zu erkennen, was das Heer leistet und warum es gebraucht wird, hätte ich nicht geheiratet.

Neben mir wird der Elf von einem Duzend Füße in den Boden getrampelt. Man springt auf seinem gebrochenen Rückgrat umher.

„Gebt nicht auf!“ schreie ich und erkenne den Klang meiner eigenen Stimme nicht wieder. Sie ist hart, grausam, gefühlskalt.

„Alle Ehre dem Licht!“ schreit Lal und schlägt wild um sich.

„Die Anführerin gehört mir!“ höre ich die Stimme, die eben in meinem Kopf war. Oder ist sie immer noch bloß in meinen Gedanken?

Layla schreit links hinter mir, lauter und anhaltender, als ich je einen Menschen schreien gehört habe, aber ich kann mich nicht umdrehen zu ihr, eine seltsame Lähmung hat von mir Besitz ergriffen. Angst setzt sich in meinem Herzen fest und ich versuche, sie mit Stolz zu vertreiben, denn es sind bereits unglaublich viele Leiber, die verkrüppelt und verstümmelt um uns liegen, denen wir die Chance genommen haben, beim Ansturm dabei zu sein. Wir haben mehr angerichtet, als menschenmöglich sein sollte und da, dort hinten, in hunderten Metern Ferne, sehe ich ein verräterisches, silbernes Glitzern am Fuße der Kriegsmaschine.

Ohne uns wärst du nicht hier! will ich der Silbermaske zurufen. Du hättest es nicht bis zur Kriegsmaschine geschafft und du wärst es, die jetzt statt uns in ihre Einzelteile zerlegt wird. Aber während die Angst noch durch meinen Körper pulsiert und der Frust darüber, dass ich nicht sprechen kann, da stürzt das ungeheure Gebilde schon in sich zusammen. Seltsames Leuchten verrät das Versagen von Magie, Taue reißen, Holz birst, Metall zersprengt mit ungesundem Knirschen. Und ich weiß, dass die Silbermaske unser Opfer zu schätzen weiß, dass sie Hilfe nicht verlangt hätte, ohne die Einsicht, wie bitter notwendig sie sie braucht. Sie mögen die Elite sein, aber wir sind das Bollwerk. Vor meinem Gesicht taucht eine Fratze auf, wie ich sie in meinen schlimmsten Albträumen sehe.

Die Dunkelheit weicht unsren Landen, des Volkes Mut ward nie verlor‘n! singe ich der Schwärze entgegen, die meinen Geist ummantelt.

 

Autorin: Elisabeth Schwaiger